Bericht über meinen Besuch bei CARDS international in Hyderabad und Guntur, Indien, vom 12. bis 22. Januar 2024 von Siegbert Dicke, Wilhelmsfeld, Mitglied von Randi e.V.
Nach Promotion am Südasien-Institut der Universität Heidelberg und langem Berufsleben in wechselnden Bereichen in Industrie und Schule hatte ich als Ruheständler im Januar 2024 die spannende Gelegenheit, CARDS („Community and Rural Development Society“) in Südindien zu besuchen. Ich durfte dabei Xaver Huber, einen langjährigen, herausragenden Unterstützer von CARDS begleiten. Ich selbst bin seit einiger Zeit Beisitzer im Vorstand des Vereins Randi e.V. mit Sitz in Sinsheim, der CARDS seit 1986 unterstützt.
Mein Ziel war es, die soziale Arbeit von CARDS mit Fokus auf die Bevölkerungsgruppe der Dalits kennenzulernen. Ich wollte das „BalaBata“-System verstehen und die Vorstandsmitglieder, Mitarbeiter und alle anderen Menschen kennenlernen, die für diese Nichtregierungsorganisation arbeiten und leben. Die gesamten Reisekosten habe ich selbstverständlich selbst bezahlt. Infos zum BalaBata Projekt
Unser Flug ging zunächst nach Hyderabad. Hier ist der Sitz des Child Guidance Centre (CGC), einer Schule für Kinder mit Behinderung. Das CGC ist eine eigenständige Einrichtung und wird vom Verein „Partnerschaft in Einer Welt“ („POW“- Partnership in One World) mit Sitz in Mosbach unterstützt.
CARDS und CGC sind freundschaftlich verbunden, ebenso wie POW und Randi e.V. sich kennen und austauschen. So haben wir die erste Nacht im CGC verbracht. Frank Viswanath (Sunny), der Sohn des CARDS Gründers P. Ranjan Babu, und Mrs. Rajani, Präsidentin von CARDS, erwarteten uns und wir wurden sehr herzlich begrüßt und aufgenommen.
Am folgenden Tag machten wir uns in Begleitung von Frank Viswanath, Mrs. Rajani und Dr. K. Mary (Direktorin von CARDS) auf die Fahrt nach Guntur.

Kinder und Eltern bei einer abendlichen BalaBata Versammlung im Dorf
Unterwegs machten wir noch Station in einer BalaBata-Schule – mein erstes „BalaBata“-Erlebnis! In der Abenddämmerung war die Szenerie für mich absolut überwältigend: Eine größere Gruppe freundlicher Dalit-Dorfbewohner hatte uns zusammen mit vielen Kindern herzlich empfangen, gesungen, getrommelt, getanzt und Blütenkonfetti über unseren Köpfen verteilt … diesen besonderen Moment werde ich nie vergessen! Auch für die Einheimischen und Kinder muss es ein ganz besonderer Anlass gewesen sein, als die CARDS-Mitarbeiter und zwei Besucher aus Deutschland den Abend mit ihnen verbrachten. Nach etwa zwei Stunden mussten wir schon gehen, aber erst nachdem uns ein Dorfbewohner stolz seine Rattenfallen vorgeführt hatte, die er in den Reisfeldern zur Schadensverhütung einsetzte. Am späten Abend erreichten wir schließlich Santosh Nagar in Guntur, den Hauptsitz von CARDS. Hier waren wir für die nächsten Tage gut untergebracht.
Der folgende Tag war ganz für Treffen mit einer Gruppe von Distriktdirektoren (DD) des BalaBata-Projekts von CARDS reserviert. Zunächst begannen wir mit einer Gedenkfeier für Rathnam, einer Schlüsselperson von CARDS, der leider einige Wochen zuvor verstorben war. Nach den Beschreibungen und Erzählungen ein ganz besonderer Mensch, den ich wirklich gerne einmal getroffen hätte!

Eine District Direktorin referiert über die Aktivitäten in ihrem Bezirk am Beispiel von Fallstudien
Die DDs waren sehr gut vorbereitet und präsentierten ihre Berichte und Fallstudien äußerst professionell. Es gab auch ein kurzes, aber realistisches „Körpertheater“ (body theatre) über das frühere Leben der Dalits in erschreckender gesellschaftlicher Unterdrückung, das mich tief berührte. Insgesamt konnte ich viele Informationen und Fakten über das heutige Leben der Dalits und ihre alltäglichen Probleme, insbesondere der Kinder, gewinnen. Dabei war besonders der tiefe Einblick in die sehr moderne Bildungsarbeit und den Methoden beeindruckend, die die DDs umgesetzt haben und täglich vor Ort praktizieren.
Einige Höhepunkte der darauffolgenden Tage
- Reise in die Küstenregion des Golfs von Bengalen, vorbei an ausgedehnten Mangrovengebieten, Fischerhütten, Wasserkanälen aus der britischen Zeit, kleineren Straßen mit Massen von trocknendem Fisch in der heißen Sonne … Wir sahen auch viele kleine Häuser, die vom Tsunami 2004 getroffen und zerstört wurden. CARDS hat zusammen mit einer niederländischen Organisation nach dem Tsunami ein Wohnbauprogramm durchgeführt. Bei Sonnenuntergang kamen wir an riesigen Reisfeldern vorbei, viel größer als die Felder, die ich beispielsweise zuvor in Sri Lanka gesehen hatte.
- Wir besuchten noch weitere BalaBatas in den Dörfern nahe der Hauptstraßen und auch ein Stammesdorf in einem abgelegenen Waldgebiet: Jedes Mal gab es herzliche Willkommenszeremonien mit Blumengirlanden, Gesang und Tanz sowie netten Frage-und-Antwort-Gesprächen mit den fröhlichen Kindern und ihren Eltern. Die Aktivität und Motivation der Kinder waren außergewöhnlich und berührten mich tief. Ich werde die einzigartigen Eindrücke nie vergessen. Darüber hinaus habe ich auch die Bedeutung von „ACO“, „RCO“ und „DO“ kennengelernt, also die Personalstruktur von CARDS und den lokalen BalaBatas.


"Bildung als Grundpfeiler für gesellschaftliche Entwicklung" (nach Dr. Ranjan Babu)
- Im WEDS/Guntur (Women Education Development Sadan, College für Mädchen) gab es natürlich reichlich Gelegenheit, über die Schicksale der Mädchen und jungen Frauen, die im „GIRL“(Growing Involving Rehabilitation Learning) leben, bzw. aufgewachsen sind, zu erfahren („GIRL“ = ein Projekt von CARDS, das Randi-e.V. von Beginn an unterstützt; ein Heim für Mädchen, die sonst kein Zuhause haben): Wiederum erhielten wir Einblick in die äußerst professionell erstellten Arbeitsberichte und Fallstudien. Begleitende Diskussionen rundeten die Treffen ab.
- Besuch der Mitarbeiterversammlung an den Deenapur Colleges: Hier hatten wir die Gelegenheit, einen genaueren Blick in das Pharmazie-Institut zu werfen. Etwa 500 Studierende leben dort auf einer Art Universitätscampus mit mehreren größeren Gebäuden, Bibliothek, Laboren, Gärten und Wohnhäusern.
- Besuch der CARDS-eigenen „Radio Ranjan“-Studios auf dem Gelände des WEDS in Guntur: Um die Menschen im Großraum Guntur zu erreichen, betreibt der CARDS-Vorstand einen eigenen modernen Radiosender. Dieser sendet Musik, Beratung zu praktischen Alltagsproblemen und Frage-und-Antwort-Runden mit und für die Menschen in den Dörfern der Region Guntur. Eine nützliche Einrichtung, die auch sehr gerne angenommen wird.

Gesang und Spiel - über "Radio Ranjan" hinaus in die Region Guntur

Xaver Huber, Ms. Satyavani, Siegbert, v.r.n.l.
- Die jährliche Jubiläumsfeier des WEDS- College war dann abschließend ein wunderbares Highlight unseres Besuchs in Guntur: Die jungen Frauen hatten tagsüber eine große Bühne und einen Bereich auf dem Gelände liebevoll dekoriert, und so herrschte abends eine glanzvolle Atmosphäre, als die Feier mit traditioneller Musik, Trommeln, Tanz und Gesang begann. Zunächst hielten Sunny, seine bezaubernde Mutter Dr. Swarnalatha Devi, Mrs. Rajani, Dr. K.Mary und die anderen Damen des Vorstands Begrüßungs-ansprachen im Auditorium. Auch Xaver und ich hatten dann Gelegenheit, uns vorzustellen und über unsere Eindrücke von CARDS und den Projekten zu sprechen. Was für ein wundervoller Abend!

Festlicher Abend im WEDS-College, Guntur
- Auf dem Rückweg nach Hyderabad besuchten wir dann noch in Piduguralla das „CRAC“-Projekt (Child Rights and Advocacy Centre) eine weitere Initiative von CARDS. Dort gibt es zahlreiche industrielle Brennöfen, in denen Kalkstein mit Kohle aus der Umgebung gebrannt wird. Durch diesen industriellen chemischen Prozess entsteht „Branntkalk“, bzw. dann Zement, der verkauft und zum Bau von Häusern und für Verputzarbeiten verwendet wird. Viele arme Familien sind auf der Suche nach Arbeit von weit her zugewandert. CARDS hat die Schulbildung für ihre Kinder organisiert, die aufgrund fehlender offizieller Dokumente oft keine staatlichen Schulen besuchen dürfen. Und natürlich wurden auch mehrere BalaBatas für ihre Kinder geschaffen. Für ihre jungen Mütter wurden zusätzlich Schneidereikurse initiiert, um auf diese Weise eine Verdienstmöglichkeit zu schaffen. Dieses sehr nützliche Projekt soll zukünftig noch mit Hilfe weiterer Spenden ausgedehnt werden.

Mrs. Dr. Mary mit Frauen und Kindern zur Begrüßung im CRAC Centre, Piduguralla

Kinder im CRAC Centre, Piduguralla beim Mittagessen
Am 19. Januar, neun Tage nach unserer Ankunft in Indien, waren wir schließlich wieder zurück in Hyderabad im Child Guidance Centre. Nach der langen Autofahrt auf der viel befahrenen Autobahn waren wir ziemlich müde, aber gleichzeitig auch von einem starken „Nachhausekommen“-Gefühl erfüllt. Nun erstmal „Durchatmen“, der Kopf war übervoll von den vielen tiefen und intensiven Eindrücken des Aufenthalts in Indien. Zu erwähnen ist noch ein interessanter, „historischer“ Abschluss der Reise mit dem Besuch der zentralen Altstadt von Hyderabad, des muslimisch geprägten Charminar Viertels. Ich habe selten einen so farbenfrohen und belebten Ort gesehen!

Mit Frank Viswanath ("Sunny") im Charminar Viertel, dem historischen Zentrum von Hyderabad
Nicht zuletzt möchte ich mich bei allen CARDS-Verantwortlichen für den herzlichen Empfang, ihre wunderbare Freundschaft und die hervorragende Organisation unseres Aufenthaltes bedanken! Und natürlich gilt mein besonderer Dank auch Xaver, der mir „die Tür“ dorthin erst eröffnet hat. Ich bin tief beeindruckt von der enormen Motivation und dem selbstlosen Einsatz für die Dalits, die ich erfahren durfte. Nach dieser Reise verstehe ich die Bedeutung von CARDS, dem GIRL-Projekt und dem „BalaBata“ als zentralem Element, erst richtig. Ich werde die strahlenden Augen der Kinder, ihre Freude, Motivation und Ernsthaftigkeit nie vergessen.
Sunny’s verstorbener Vater Dr. Ranjan Babu, der Gründer von CARDS, hatte Recht: Kinder und Bildung sind die Grundpfeiler für gesellschaftliche Entwicklung, sozialen Wandel und die Förderung benachteiligter Gruppen. Die überaus große Bedeutung von Randi e.V. als ein maßgeblich unterstützender, gemeinnütziger Verein kann ich diesem Zusammenhang nur mehrfach unterstreichen!
Bericht und Fotos Siegbert Dicke







