Bei seinem Besuch im Januar 2023 begleitete unser Mitglied Xaver Huber die GIRL-Mädchen bei einem Ausflug zu Elli Gardens in der Nähe von Guntur-Deenapur. CARDS baut dort verschiedene Gemüsesorten an. Blumenbeete bieten ein buntes Bild. Im Schatten der Orangen- und Mangobäume ist es angenehm kühl. Elli Gardens ist ein beliebtes Ausflugsziel, ein Platz zum Ausruhen, für Picknicks und auch für Veranstaltungen.
An diesem Ausflugstag sangen die Mädchen Lieder und führten Tänze auf.
Die älteren Mädchen knüpften Schnüre an einen Ast und zeigten einen besonderen Tanz.
An dessen Ende war ein kunstvoll geflochtenes Seil entstanden.
Begegnung mit ehemaligen GIRL-Mädchen
Zu dem Treffen in Elli Gardens waren auch einige junge Frauen gekommen, die früher im GIRL-Mädchenheim gelebt haben. Die jüngeren Mädchen hörten gespannt zu, als sie berichteten, wie es ihnen ergangen war.
Rani [1] und ihre Schwester wurden beide im GIRL aufgenommen. Rani erzählt: „Unser Vater hätte lieber Söhne gehabt. Er war sehr froh, als wir im GIRL waren. So hatte er eine Sorge weniger. Als wir im GIRL ankamen, waren wir zuerst ängstlich, weil wir nicht wussten, wie es uns dort ergehen würde. Aber dann wurden wir dort so freundlich empfangen. Dass wir so viel Aufmerksamkeit bekamen, waren wir nicht gewohnt. Wir haben große Wertschätzung erfahren und durften endlich zur Schule gehen. Wir haben Dinge erfahren, über die wir uns noch nie Gedanken gemacht hatten. Wir diskutierten z.B. über die Situation der Frauen. Auch Mädchen sollten ein gutes Leben haben. Wir haben gelernt, wie es durch Bildung möglich wird, ein freies, unabhängiges Leben zu führen.
Auch unser Vater hat in dieser Zeit dazugelernt. Er hat uns im GIRL besucht und als er gesehen hat, wie wir uns entwickelt haben war er beeindruckt. Er versteht vieles jetzt besser als früher und er behandelt uns mit Respekt.“
Rani ist jetzt 24 Jahre alt. Sie ist eine selbstbewusste junge Frau. Sie hat Arbeit und verdient ihr eigenes Geld. Ihre Schwester arbeitet im IT-Bereich. Die Grundkenntnisse dafür hat sie im GIRL erworben.
Sailaja besucht das Frauencollege in Guntur (Christian-Women-College CWC).
Sie erzählt: „Nachdem ich die 12. Klasse abgeschlossen hatte, bin ich zu meiner Familie zurückgekehrt. Ich habe bei einem Anwalt am Computer gearbeitet. Im Monat habe ich 9.000 INR verdient (ca. 100 €).“
Sailajas Unglück begann, als ihre Eltern nach einem Ehemann für sie suchten. Da sie etwas Land erben würde, war sie eine gute Partie. Es gab einen Bewerber, der die Eltern beeindruckt hat, weil er an der Uni arbeitete und sehr gut verdiente. Sailaja war damit einverstanden, ihn zu heiraten. Es stellte sich heraus, dass ihr Ehemann eine Transfrau[2] war. Für die Probleme, die sich daraus ergaben, wurde allein Sailaja verantwortlich gemacht. Ihr Ehemann behauptete, dass sie ihn nicht lieben würde.
Die Familie setzte Gerüchte in die Welt, dass Sailaja sich mit anderen Männern einlassen würde. Sie hat in dieser Situation sehr gelitten und wurde depressiv. Es wurde so schlimm, dass sie sich umbringen wollte. Dann dachte sie an ihr gutes Leben im GIRL-Mädchenheim. Sie sagte sich: „Ich habe nichts falsch gemacht, warum sollte ich mir das antun und sterben?“
Sie hat über all diese Probleme offen mit ihren Eltern gesprochen, auch dass sie die Scheidung einreichen wolle: „Ich wollte mich von der Last dieser schrecklichen Familie befreien. Mein Vater konnte das zunächst nicht akzeptieren. Er meinte eine Scheidung wäre eine Schande für die ganze Familie und mein Leben wäre verdorben. Meine Mutter hatte aber Verständnis für meine Situation und hat mich unterstützt. Ich habe die Scheidung eingereicht und lebe nun wieder bei meinen Eltern. Auch mein Vater hat eingesehen, dass es so das Beste ist. Jetzt bin ich vor all den Anfeindungen der Familie meines Ex-Ehemanns sicher.“
Für die Hochzeit hatten die Eltern Sailajas hohe Schulden aufgenommen. Die Mitgift, inklusive der Ausgaben für die Hochzeit, betrug etwa 700.000 Rupien (ca. 7.800 €), zurückbekommen haben sie nur 300.000 Rupien. Trotz dieses Verlustes ist Sailaja optimistisch. Dadurch, dass sie ihr Studium (Degree) im CWC wieder aufnehmen konnte, hat sie gute Zukunftsaussichten.
Lavanya hat eine Schwester und einen Bruder. Sie haben sehr früh ihren Vater verloren. Um die Familie zu ernähren hat ihre Mutter in verschiedenen Haushalten gearbeitet, geputzt und Wäsche gewaschen. Es war für sie sehr schwierig, sich um die Kinder zu kümmern.
Die beiden Schwestern wurden im GIRL-Mädchenheim aufgenommen. Lavanya hat im CWC eine Ausbildung als Krankenschwester erhalten. Fünf Jahre hat sie in verschiedenen Krankenhäusern als Krankenschwester gearbeitet und Erfahrungen gesammelt. Jetzt ist sie verheiratet, hat zwei kleine Kinder und ist damit glücklich. In eineinhalb Jahren will sie wieder zurück in ihren Beruf.
Jyothi erzählt: „Wenn ich die fröhlichen Mädchen sehe, erinnere ich mich an die Zeit im GIRL. Ich hätte gerne noch weiter studiert. Aber als ältere Schwester sollte ich vor meiner jüngeren Schwester heiraten. Das ist auf dem Land so üblich. Meine Mutter hatte auf einer Heirat bestanden, obwohl ich bei CARDS einen Studienplatz gehabt hätte. Ich bin etwas traurig, dass ich die Ausbildung abbrechen musste, um eine eigene Familie zu gründen. Anfangs war meine Schwiegermutter sehr streng. Inzwischen komme ich aber ganz gut mit den Schwiegereltern zurecht. Im GIRL habe ich viel über meine Rechte als Frau gelernt und wie ich sie wahren kann.
Im Dorf habe ich einen Job als staatliche Hilfskraft. Das heißt, ich kümmere mich um 50 Familien, die Hilfe brauchen. Das mache ich sehr gern. Aber mein Ziel ist es weiter zu studieren. Manchmal nehme ich am Unterricht im CARDS-College teil. Ich habe auch schon Prüfungen absolviert. Pushpa[3] motiviert mich sehr und hilft mir dabei. Auch nachdem ich jetzt nicht mehr im GIRL bin, kümmert sie sich um mich. Dafür bin ich ihr und CARDS sehr dankbar.“
Bhavani war 6 Jahre lang im GIRL. Sie hat die Schule bis zur 12. Klasse beendet. Danach ging sie zu ihrer Familie zurück, die eine Heirat arrangierte. Sie sagt: „Wenn ich nicht im GIRL gewesen wäre, hätte ich sehr früh heiraten müssen. Es war für mich ein großer Vorteil, hier so vieles zu lernen und die Schule besuchen zu können“. Sie führt jetzt ein glückliches Familienleben.
Bericht Xaver Huber und Margit Nitsche, Fotos Xaver Huber
Weiterer Reise-Bericht: Januar 2023 - Eindrucksvolle Reise zu den CARDS-Projekten
Alle Namen sind geändert
Mann mit weiblicher Identität
Pushpa Latha Kalla ist eine der stellvertretenden Direktor*innen von CARDS (Deputy Director)